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Aktuelles

Aufsätze - Satanismus und Ritueller Mißbrauch
Aktuelle Entwicklungen und Konsequenzen für die Jugendhilfe
Ingolf Christiansen



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2. Aleister Crowley und der "Moderne" Satanismus

Für den rituellen Satanismus der Moderne ist die Person des Okkultisten und Schwarz- bzw. Sexualmagier's Aleister Crowley (12.10.1875-1.12.1947) von entscheidender Bedeutung. Crowley, im strengen Sinn kein Satanist (s. Massimo Introvigne, "Auf den Spuren des Satanismus", EZW-Materialdienst, S. 166, Stuttgart 6/1992; Gleichzeitig kann man Crowley nicht im eigentlichen Sinn als Satanisten ansehen, weil die okkulten Kräfte, die er erwecken will, nicht mit dem Teufel der Bibel identifiziert werden, von dem er schlicht und einfach feststellt, er existiere nicht (Aleister Crowley, "Magic in Theory and Practice", S. 86,New York 1973)), hielt sich, obwohl schon sieben Monate nach dessen Tod geboren, für die Reinkarnation des berühmten Okkultisten Eliphas Levi (Eliphas Levi: "Für die Initiierten ist der Teufel keine Person, sondern eine schöpferische Kraft, zum Guten sowohl zum Bösen" ). Crowley wuchs in einer bigotten, puritanisch ausgerichteten Familie, die sich zu den „Plymouth Brethren" hielten, auf. Das eigenwillig und vielleicht auch schwer erziehbare Kind Edward Alexander wurde von der überforderten Mutter regelmäßig mit dem Attribut "Beast" aus der Johannesapokalypse (dort mit der mystischen Zahl 666 versehen) bedacht. Diesen, von seiner Mutter initiierten "Titel", behielt er bis zu seinem Tode unter der Bezeichnung "To Mega Therion - The Beast 666" bei. Vermutlich birgt die sexual- und lebensfeindliche Erziehung den Grund für Crowleys sexualmagische Versuche und (Opfer-) Rituale, die in ihrer Perversion (Sodomie, sexueller Mißbrauch und nicht nachgewiesenen angeblichen Menschenopferungen (Aleister Crowley fordert im "Liber Al vel Legis" III, 12-13: "Opfert Tiere, kleine und große und danach ein Kind, aber nicht jetzt")), kaum zu überbieten waren und gegen jegliche gesellschaftlichen und christlich-religiösen Konventionen verstießen. Wahrscheinlich mußte er u.a. deshalb als persona non grata seine 1920 in Cefalu auf Sizilien gegründete "Abtei Thelema" 1923 wieder verlassen.

Ein von Geldsorgen geplagter Crowley versuchte, hemmungslos schmarotzend auf Kosten seiner Anhänger zu leben und reiche Frauen ausfindig und abhängig zu machen, die seine Vorlieben finanziell unterstützten und deckten. Vermutlich beschäftigte er sich deshalb auch mit dem Autoren Abraham von Worms (gestorben 1458), der unter dem Namen Abra-Melin als Magier sein Unwesen trieb und angeblich durch eine "magische Operation" des dritten Buches in Besitz von drei Millionen Goldstücken gelangte (s. Harald Baers Aufsatz über "Satanismus" in "Unsere Seelsorge", Okt. 1986).

Mit Crowley verliert der aus dem französischen Kulturraum stammende Satanismus des 17. (Abbé Guiborg, Catherine Deshayes, Madame de Montespan) bis hin zum literarischen Satanismus des 19. Jahrhunderts (Charles Baudelairs, 1821 - 1867, Arthur Rimbaud, 1854 - 1891) endgültig seine Bedeutung (s. die einseitig gefärbten Ausführungen von Joachim Schmidt "Satanismus-Mythos und Wirklichkeit", S. 97, 131 Marburg 1992. Schmidt soll nach den beiden Grandt-Zwillingen und ihrem Buch "Schwarzbuch Satanismus", S. 18, Augsburg, 1995 der in der Satanismus-Szene bekannte "Nadir" sein. Außerdem soll er nach Kennern der Szene bekenndendes Mitglied des Ordo Saturni sein.) Im Gegenzug nimmt die Bedeutung und der Einfluß eines vom anglo-amerikanischen Kulturraum geprägten Satanismus zu. Crowley ist bis heute "Spiritus rector" und Ideenlieferant für eine Vielzahl von Gruppen und Organisationen und ihren Ritualen geblieben. 1904 erhielt er in Kairo visionär eine Offenbarung von einem "Geistwesen" namens "Aiwaz" (oder auch "Aiwass"), einem Sendboten "Set's", dem König der Verwüstung und Zerstörung und dem Mörder des Osiris. Die Offenbarung findet ihren Inhalt im "Liber Al vel Legis" ("Buch des Gesetzes") und soll den heranbrechenden neuen "äon des Horus" proklamieren. Aus seinem Liber OZ sub Figura LXXVI (zitiert bei Horst Knaut, "Das Testament des Bösen", S. 171f., Seewald 1979) entstammen die als thelemitisches Gesetz und als "Crowley-Charta" bekanntgewordenen und bis heute bei den meisten Gruppen (nicht nur den thelemitischen) als heimlich-ideologisches Leitmotiv akzeptierten Gedanken:

"Das Gesetz des Starken: das ist unser Gesetz und die Freude der Welt.
Tu was du willst, soll sein das ganze Gesetz.
Du hast kein Recht als deinen eigenen Willen zu tun.
Tue den, und kein anderer soll Nein sagen.
Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.
Es gib keinen Gott außer dem Menschen.


Der Mensch hat das Recht, nach seinem eigenen Gesetz zu leben:
zu arbeiten wie er will,
zu spielen wie er will,
zu ruhen wie er will,
zu sterben wann und wie er will.


Der Mensch hat das Recht zu essen
was er will,
zu trinken was er will,
zu wohnen wo er will,
zu reisen auf dem Antlitz der Erde wie er will.
Der Mensch hat das Recht zu denken was er will,
zu sagen was er will,
zu schreiben was er will,
zu zeichnen, malen, schnitzen,
ätzen, gestalten und bauen wie er will,
sich zu bekleiden wie er will.

Der Mensch hat das Recht zu lieben wie er will;
auch erfüllet euch nach Willen in Liebe,
wie ihr wollt, wann, wo und mit wem ihr wollt!

Der Mensch hat das Recht all diejenigen zu töten, die ihm diese Rechte zu nehmen suchen.
Die Sklaven sollen dienen.
Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen!"

Hier wird defacto eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ausgerufen: die "Gods" und das Palindrom dazu die "dogs". "Die Dogs sollen machtlos dienen, die Gods regieren. Wer nicht erleuchtet ist, gilt als Sklave durch eigenen Willen. Doch sollen unsere Sklaven freie Männer sein. Sie sollen arbeiten, wo sie wollen, wann sie wollen und wie sie wollen. Der Unternehmer mag sie heuern und feuern wie er will. In dieser kontrollierten Anarchie gibt es keine Polizei (jeder sorgt mit Freundeshilfe für seine eigene Sicherheit), keinen Gesundheitsdienst und keinen Schulzwang. Kein Kind muß zu Schule ohne natürliche Neigung. Aufstiegschancen gibt es freilich genug. Wer die schweren magischen Prüfungen packt, kann sogar König werden, aus welcher Kaste auch immer er kommt. Aber die meisten sind ja zufrieden, wenn sie ein Stück Fleisch auf dem Tisch und ein Weib im Bett haben. Jeder tut eben, was er will: Laßt Schuster Schuster sein, Soldaten Soldaten, Physiker Physiker, Priester Priester! Keine Arbeitslosenunterstützung! Wer zu schwach zum Überleben ist, sei verdammt und tot! Amen." (aus: Josef Dvorak, "Satanismus - Schwarze Rituale, Teufelswahn und Exorzismus Geschichte und Gegenwart", S.123f, München 3. Aufl. 1994)

Dieses thelemitische Gesetz zementierte ein Unterdrückungssystem, daß im Grunde genommen nur einen "God" zuließ und das war das "To Mega Therion-The Beast 666". Er bestimmte die "Richtlinien der Politik" und seinen Anordnungen, waren sie noch so unsinnig oder gefährlich, mußte unbedingt Folge geleistet werden! Dazu dienten Übungen und Trainings, die jeder durchlaufen mußte: von der Verpflichtung zur Führung des "magical record", ein Tagebuch, das Crowley zur Begutachtung vorgelegt werden mußte, bis dahin, das Zeitungslesen verboten war und Außenkontakte auf ein Minimum reduziert wurden. Die Neophyten (1. Initiationsgrad) durften nicht das Wort "Ich" gebrauchen. Bei Verletzung dieser Regel mußten sie sich mit einem Rasiermesser Schnitte in den Unterarm zufügen (s. Harald Baer, a.a.O., S. 18).

Crowley übernahm 1921 die Leitung des O.T.O. (Ordo Templi Orientis) vom damaligen Agenten Theodor Reuß und verlagerte einen Teil der Aktivitäten in die USA nach Kalifornien. In der Folge wurden aus der kalifornischen Sektion 40 "aktive Abteilungen" gegründet, die zum Teil bis heute noch aktiv sind. 1947 starb Crowley zweiundsiebzigjährig als Alkoholiker und geistig umnachtet. In seinem Tagebuch gesteht er, daß er sich "hervorgetan" hat "durch Verderbtheit und getrunken nach den 333 Regeln des Suffs" (s. John Symonds, "Aleister Crowley-Das Tier 666", Basel 1983).

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