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300.6 (F48.1) Depersonalisationsstörung

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Diagnostische Merkmale

Die Hauptmerkmale der Depersonalisationsstörung sind andauernde oder immer wiederkehrende Episoden von Depersonalisation, charakterisiert durch ein Gefühl des Losgelöstseins oder der Entfremdung vom eigenen Selbst (Kriterium A).

Die Person kann sich wie ein Roboter fühlen oder als ob sie in einem Traum oder in einem Film leben würde. Möglicherweise empfindet die Person so, als wäre sie ein außenstehender Beobachter der eigenen geistigen Prozesse, des eigenen Körpers oder einzelner Körperteile. Verschiedene Arten von sensorischer Unempfindlichkeit, Mangel an emotionalen Reaktionen und das Gefühl, das eigene Handeln einschließlich der Sprache nicht völlig beherrschen zu können, sind häufig vorhanden. Personen mit einer Depersonalisationsstörung halten eine intakte Realitätsprüfung aufrecht (z. B. das Bewußtsein darüber, daß es sich nur um ein Gefühl handelt und daß sie nicht wirklich ein Roboter sind) (Kriterium B).

Depersonalisation ist eine häufige Erfahrung, und die Diagnose sollte nur gestellt werden, wenn die Symptome schwer genug sind, um in bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in verschiedenen Funktionsbereichen zu verursachen (Kriterium C).

Da Depersonalisation ein häufiges Merkmal bei vielen anderen psychischen Störungen ist, sollte die eigenständige Diagnose einer Depersonalisationsstörung nicht gestellt werden, wenn diese ausschließlich im Verlauf einer anderen psychischen Störung auftritt (z. B. Schizophrenie, Panikstörung, Akute Belastungsstörung oder eine andere Dissoziative Störung). Die Störung geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück (Kriterium D).

Zugehörige Merkmale und Störungen

Zugehörige Beschreibungsmerkmale und psychische Störungen. Häufig haben Personen mit einer Depersonalisationsstörung Schwierigkeiten, ihre Symptome zu beschreiben, und sie befürchten, daß diese Erlebnisse bedeuten, daß sie "verrückt" seien. Derealisation kann gleichzeitig vorhanden sein und wird als ein Gefühl erlebt, als ob die Umgebung fremd oder unwirklich sei. Die Person kann eine ihr unheimlich erscheinende Veränderung der Größe oder Form von Objekten wahrnehmen (Makropsie oder Miktopsie), und andere Leute können unvertraut oder roboterhaft erscheinen. Andere häufige zugehörige Merkmale sind u. a. Angstsymptome, depressive Symptome, Zwangsgedanken, hypochondrische Befürchtungen und eine Störung im Zeiterleben. In einigen Fällen kann der für die Depersonalisation charakteristische Gefühlsverlust verwechselt werden mit demjenigen bei einer Major Depression, kann aber auch gleichzeitig vorhanden sein. Hypochondrie und Störungen im Zusammenhang mit Psychotropen Substanzen können ebenfalls gemeinsam mit einer Depersonalisationsstörung auftreten. Depersonalisation und Derealisation sind sehr häufig Symptome von Panikattacken. Daher sollte die Diagnose einer Depersonalisationsstörung nur gestellt werden, wenn Depersonalisation und Derealisation nicht ausschließlich während solcher Attacken auftreten.

Zugehörige Laborbefunde. Personen mit einer Depersonalisationsstörung können in standardisierten Tests eine hohe Suggestibilität und eine hohe Fähigkeit zur Dissoziation aufweisen.

Besondere kulturelle Merkmale

Willkürlich herbeigeführte Erfahrungen von Depersonalisation oder Derealisation sind Teil von meditativen und Trance-Praktiken, wie sie in vielen Religionen und Kulturen vorkommen und sollten nicht mit einer Depersonalisationsstörung verwechselt werden.

Prävalenz

Die Lebenszeit-Prävalenz einer Depersonalisationsstörung in der Allgemeinbevölkerung und im klinischen Bereich ist unbekannt. Zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben erleben etwa die Hälfte aller Erwachsenen eine einzelne, kurze Episode von Depersonalisation, der üblicherweise eine schwere Belastung vorausgeht. Eine vorübergehende Erfahrung von Depersonalisation entwickelt sich in ungefähr einem Drittel der Fälle, in denen Personen lebensbedrohenden Gefahren ausgesetzt sind und bei annähernd 40 % der Patienten, die wegen einer psychischen Störung stationär behandelt werden.

Verlauf

Personen mit einer Depersonalisationsstörung kommen üblicherweise im Erwachsenenalter oder der Jugendzeit in Behandlung, obwohl die Störung unbemerkt im Kindesalter begonnen haben kann. Da die Depersonalisation selten als Beschwerde präsentiert wird, zeigen Personen mit wiederkehrender Depersonalisation oft andere Symptome wie Angst, Panik oder Depression. Episoden von Depersonalisation können sehr kurz Sein (Sekunden), können aber auch lange andauern (Jahre). Depersonalisation im Gefolge von lebensbedrohlichen Situationen (z. B. Krieg, schwere Unfälle, Opfer eines Gewaltverbrechens) entwickelt sich üblicherweise plötzlich bei Einsetzen des Traumas. Der Verlauf kann chronisch sein, gekennzeichnet durch Remissionen und Exazerbationen. Meist treten die Exazerbationen im Zusammenhang mit tatsächlichen oder so wahrgenommenen Belastungsereignissen auf.

Differentialdiagnose

Die Depersonalisationsstörung muß von Symptomen unterschieden werden, die auf die körperliche Folge eines bestimmten medizinischen Krankheitsfaktors zurückgehen (z.B. Epilepsie) (siehe S. 210) Diese Unterscheidung basiert auf Anamnese, Laborbefunden oder körperlicher Untersuchung.
Depersonalisation, die durch die direkte körperliche Wirkung einer Substanz verursacht ist, wird von einer Depersonalisationsstörung dadurch unterschieden, daß eine Substanz (z. B. eine Droge oder ein Medikament) als ursächlich für die Depersonalisation angesehen wird (siehe S. 239) Eine akute Intoxikation oder der Entzug von Alkohol und einer Vielzahl weiterer Substanzen kann zu einer Depersonalisation führen. Auf der anderen Seite kann eine Substanzeinnahme die Symptome einer bereits bestehenden Depersonalisationsstörung intensivieren. Daher sollte für die exakte Diagnosestellung einer Depersonalisationsstörung bei Personen mit einer Vorgeschichte einer alkohol- oder substanzinduzierten Depersonalisation der Längsschnitt-Verlauf des Substanzmißbrauchs und der Depersonalisationssymptome berücksichtigt werden.

Die Depersonalisationsstörung sollte nicht als eigenständige Diagnose gestellt werden wenn die Symptome nur im Verlauf einer Panikattacke auftreten, die Teil einer Panikstörung, einer Sozialen oder Spezifischen Phobie oder einer Postraumatischen oder Akuten Belastungsstörung ist. Im Gegensatz zur Schizophrenie wird bei einer Depersonalisationsstörung eine intakte Realitätsprüfung aufrechterhalten Der Gefühlsverlust der mit einer Depersonalisation verbunden ist (z. B. emotionale Starre), kann wie bei einer Depression erscheinen. Allerdings ist die Gefühllosigkeit bei Personen mit einer Depersonalisationsstörung mit anderen Erscheinungsmerkmalen verknüpft (z.B. ein Empfinden des Losgelöstseins vom eigenen Selbst) und tritt auch auf, wenn die Person nicht depressiv ist.

Diagnostische Kriterien für 300.6 (F48.1)
Depersonalisationsstörung

  1. Andauernde oder wiederkehrende Erfahrungen, sich von den eigenen geistigen Prozessen oder vom eigenen Körper losgelöst oder sich wie ein außenstehender Beobachter der eigenen geistigen Prozesse oder des eigenen Körpers zu fühlen (z. B. sich fühlen, als sei man in einem Traum).
  2. Während der Depersonalisationserfahrung bleibt die Realitätsprüfung intakt.
  3. Die Depersonalisation verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
  4. Das Depersonalisationserleben tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer anderen psychischen Störung auf wie Schizophrenie, Panikstörung, Akute Belastungsstörung oder eine andere Dissoziative Störung und geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück (z B Temporallappen-Epilepsie).

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