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Aufsätze - The Child Sexual Abuse Accomodation Syndrome
Roland Summit
Übersetzung durch Birgitta Rennefeld



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5. "DER WIDERRUF DER KLAGE" (RETRACTION OF COMPLAINT)

Was auch immer das Kind über den Inzest aussagt, sie wird es wahrscheinlich wieder umkehren. Als kleines Kind kann sie die Frage nach dem Inzest verneinen, doch später wird sie vielleicht durch ihre Wut dazu bewegt werden, eine Strafanzeige zu stellen. Unter der Wut bleibt die Ambivalenz von Schuld und der märtyrerhaften Verpflichtung, die Familie zu erhalten, bestehen. In der chaotischen Nachwirkung der Offenlegung entdeckt das Kind, daß die grundlegenden Befürchtungen und Drohungen, die das Geheimnis umgaben, wahr sind. Ihr Vater verläßt sie und nennt sie eine Lügnerin. Ihre Mutter glaubt ihr nicht oder sie dekompensiert in Hysterie und Zorn. Die Familie ist auseinandergebrochen, und alle Kinder werden unter Schutzaufsicht gebracht. Dem Vater drohen Schande und Gefängnis. Das Mädchen wird beschuldigt, das ganze Schlamassel verursacht zu haben, und jeder scheint sie wie ein Monstrum zu behandeln. Sie wird über allen geschmacklosen Details verhört und ermutigt, ihren Vater bloßzustellen, doch der Vater bleibt unangefochten, kann zu Hause in der Sicherheit der Familie verbleiben. Sie steht weiter unter Schutzaufsicht, ohne Hoffnung nach Hause zurückkehren zu können, wenn die "depency petition" angenommen wird.

Die Botschaft der Mutter ist sehr klar, oftmals macht sie deutlich: "Warum hast du darauf bestanden, solch eine schreckliche Geschichte über deinen Vater zu erzählen? Wenn du ihn ins Gefängnis schickst, werden wir keine Familie mehr sein. Wir werden bei der Wohlfahrt enden, ohne einen Platz zum Leben. Ist es das, was du uns antun willst?"

Noch einmal, das Kind trägt die Verantwortung sowohl dafür, die Familie aufrecht zu erhalten als auch sie zu zerstören. Die Rollenumkehr bleibt bestehen mit der "schlechten" Wahl, die Wahrheit zu sagen, oder der "guten" zu kapitulieren und um der Familie willen wieder eine Lüge einzusetzen.

Bevor dem Kind eine besondere Unterstützung zu teil wird und eine unmittelbare Intervention den Vater zur Verantwortung zwingt, wird das Mädchen dem "normalen" Weg folgen und die Klage widerrufen. Das Mädchen "gibt zu", daß sie die Geschichte erfunden hat. "Ich war schrecklich wütend auf meinen Dad, weil er mich bestraft hat. Er hat mich geschlagen und gesagt, daß ich meinen Freund nicht wiedersehen darf. Ich bin wirklich seit Jahren schlecht gewesen und nichts hat mich davon abgehalten, in Schwierigkeiten zu geraten. Dad hat allen Grund, böse auf mich zu sein. Aber ich bin wirklich wütend geworden und mußte irgendeinen Weg finden, um von diesem Ort wegzukommen. So habe ich diese Geschichte erfunden, daß er an mir rumgemacht hat und so. Ich wollte niemanden in solche Schwierigkeiten bringen."

Diese simple Lüge erhält mehr Glaubwürdigkeit als die meisten expliziten Behauptungen über eine sexuelle Verstrickung. Sie bestätigt die Erwartung der Erwachsenen, daß man Kindern nicht trauen darf. Das unsichere Gleichgewicht der Familie wird wiederhergestellt. Die Kinder lernen, sich nicht zu beschweren. Die Erwachsenen lernen, nicht zuzuhören. Und die Autoritäten lernen, nicht rebellischen Kindern zu glauben, die versuchen, ihre sexuelle Macht zu benutzen, um ihre wohlmeinenden Eltern zu vernichten. Ende des Falles.

Veröffentlicht in: AJS-FORUM 3/93, S. 7 -10

Das Buch von Birgitta Rennefeld Rennefeld: "Institutionelle Hilfen für Opfer von sexuellem Mißbrauch - Ansätze und Arbeitsformen in den USA" ist im Karin-Böllert-KT-Verlag, Bielefeld, erschienen und kostet 29.-DM (ISBN 3-925515-39-9).

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