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Aufsätze - Ritueller Mißbrauch
Thorsten Becker & Patrick Felsner



zurückTeil 3weiter

3. Rituale und Ritueller Mißbrauch

3.1. Definition: "Ritueller Mißbrauch"

"Ritueller Mißbrauch ist schwerer sexueller, physischer und emotionaler Mißbrauch, der sich in einem Kontext ereignet, verbunden mit Symbolen oder Tätigkeiten, die den Anschein von Religiösität, Magie oder übernatürlichen Bedeutungen haben. Diese Tätigkeiten werden über längere Zeit wiederholt, um die Kinder in Angst zu versetzen, sie gewaltsam einzuschüchtern und um sie zu verwirren." (zitiert nach David Finkelhor: Nursery Crimes-Sexual Abuse in Day Care; in: Core, Dianne; Chasing Satan; London, 1991; S. 12).
Diese Definition schließt neben Mißbrauch während Ritualen - also während kultischer Handlungen - auch ritualisierte Formen der Mißhandlungen ein, die nicht unbedingt eines ideologischen Ursprungs sein müssen.

Ingesamt lassen sich drei unterschiedliche Ausprägungen differenzieren:
  • Kultischer Ritueller Mißbrauch
  • Pseudo-ritueller ("ritualisierter") Mißbrauch
  • Psychopathologischer Ritueller Mißbrauch

3.2. Kultischer Ritueller Mißbrauch

Der Mißbrauch / die Mißhandlung ist wesentlicher Bestandteil eines (hoch) organisierten Glaubenssystems. Sexueller Mißbrauch ist funktionalisiertes Mittel zum Zweck, beispielsweise der Magie. Deutlich wird dies in Formen der Sexualmagie; davon ausgehend, daß die Sexualität die größte Kraft des Menschen ist, soll diese während (sexual-) magischer Handlungen dienstbar gemacht werden um so die höchstmögliche Energie zu erfahren. Hierzu gehören nach Aleister Crowley (englischer Schwarzmagier und "Satanist", 1875-1947) alle Formen sexueller Aktivitäten. Die Verbindung von exzessiven sexuellen Gewalterfahrungen gekoppelt mit mystischen und magischen Erfahrungen trägt sehr stark zu einem Verlust des Egos bei und bestärkt den Gruppenzusammenhalt.

3.3. Pseudo-ritueller ("ritualisierter") Mißbrauch

Der Mißbrauch / die Mißhandlung findet meist innerhalb eines mehr oder wenig stark organisierten kriminellen System statt; es gibt allerdings auch Berichte von Einzeltätern (vgl. der Prozeß gegen den "Vampir von Zirndorf" (Okt. / Nov. 1993 in Fürth). Häufig in diesem Bereich sind Pädophilie, (Kinder-) Prostitution und (Kinder-) Pornographie bis hin zu "Snuff-Videos" (Videos bei denen die Mißhandlung bis zum Tod des Opfers gefilmt wird). Diese Form des Mißbrauchs basiert auf keinem ideologischen Glaubenssystem. Kinder werden durch übernatürliche Kräfte (wie Geister, Monster, Batman u.ä.) bedroht. Kinder werden durch diese "Bilder" regelrecht terrorisiert; außerdem bewirken diese Bedrohungen, daß Offenbarungen von Kindern meist frühzeitig von HelferInnen als "Kindesphantasien" abgetan werden und diese Kinder erneut die Erfahrung machen, daß ihnen keiner hilft. Experten sprechen für diesen Bereich - im Unterschied zu 3.2. - von einer stärkeren Zentrierung auf die Sexualität.

3.4. Psychopathologischer Ritueller Mißbrauch

Der Mißbrauch / die Mißhandlung ist Teil eines Wahn- und Zwangssystems. Die Fachliteratur (siehe 8. Kommentierte Literaturempfehlungen) beschreibt diesen Teil als schwierig von Kultsystemen zu unterscheiden; Anhaltspunkt sei häufig das Auftreten von Einzeltätern und eine stärkere Zentrierung auf Sexualität, welche häufig mit massiven Perversionen gekoppelt ist.

3.5. Gründe für eine Differenzierung

Diese sehr wissenschaftliche Differenzierung gilt es insbesondere unter dem Aspekt einer Bedrohung durch Täter bei Offenbarungen von Opfern / Überlebenden zu beachten und bei Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen. Häufig sind Verknüpfungen mit traumatischen Erlebnissen bereits durch Täter codiert / einprogrammiert und können von außen (beispielsweise durch Zeichen) ausgelöst werden. Sehr diffizile Formen der Programmierung bedienen sich "normalen" Alltagserlebens - beispielsweise Gerüchen, welche basierend auf - auch unbewußte - Erinnerungen an traumatische Erfahrungen an einen Zwang zur Verschwiegenheit erinnern und das Verhalten bestimmen. Dieses System der "Mind Control" wird noch (vgl. 4.) beschrieben werden.
Außerdem gilt es zu unterscheiden, ob der Mißbrauch / die Mißhandlungen in institutionellen oder inzestösen Zusammenhängen oder gar in einer Kopplung aus beiden stattfindet. Dies ist sowohl bei den direkten Hilfs- und Ermittlungsansätzen zu beachten, als auch und insbesondere in Anbetracht des "Child Accomodation Syndromes" (vgl. Summit, Roland: "The Child Sexual Abuse Accomodation Syndrome" in: Child Abuse and Neglect Vol. 7:177-193 (1983); deutsch in: Rennefeld, Birgitta; "Institutionelle Hilfen für Opfer von sexuellem Mißbrauch"; Bielefeld, 1989).

3.6. Arten des Rituellen Mißbrauchs

Ritueller Mißbrauch findet auf vielfältige Art und Weise statt. Hierbei lassen sich drei Ebenen unterscheiden:

  • Psychologischer Mißbrauch
  • Körperliche Mißhandlung
  • Sexueller Mißbrauch
Der Psychologische Mißbrauch erzeugt tiefe Furcht, Amnesien und Dissoziationen, welche sehr häufig mit "Freiwilligkeit" und Mittäteraspekten gekoppelt sind. Die körperliche Mißhandlung - häufig in Form extremer Folter - welche teilweise von außen nicht feststellbar (z.B. unter Wasser drücken bis zum beinahe-ertrinken) ist, führt zu einer weiteren Verschwiegenheit. Der sexuelle Mißbrauch als ein Teilaspekt Rituellen Mißbrauchs ist - meist von mehren Täter (häufig gleichzeitig) begangen - sadistisch und erniedrigend. Zusammengefaßt führen diese Formen zur totalen Dominanz über das Opfer und zur Bestimmung über sein Leben.

3.7. Beispiele der Terrorisierung

Die im Folgenden benannten Beispiele der Terrorisierung von Opfern / Überlebenden Rituellen Mißbrauchs sind brutal, grausam und übersteigen meist die Grenze dessen, was sich im Rahmen "normaler" Vorstellungskraft ereignen kann. Die Realität derjenigen, die durch dieses Problem des Rituellen Mißbrauchs berührt sind - sowohl Opfer / Überlebende, als auch HelferInnen und Ermittler - ist von derartigen Schilderungen geprägt. Fern von jeglichem 'voyeuristischen Thrill' dienen die folgenden Beschreibungen dazu, zu verdeutlichen, was die Methodik eines Systems von Terror ausmacht, welches Opfer / Überlebende erleiden und welches die Anforderungen vor allem an HelferInnen dominiert.

3.7.1. Magische Operation

Kinder werden über Süßigkeiten und Getränke betäubt. Wenn sie erwachen, merken sie, daß sie entweder mit Blut verschmiert sind oder häufig einen feinen Ritz in der Oberhaut über dem Brustbein oder zwischen den Augen haben. Ihnen wird dann suggeriert, dies seien die Beweise dafür, daß sie operiert worden sein. In dieser Operation sei ihnen ein Dämon, ein Monster, eine Bombe oder Tiere eingepflanzt worden, die falls sich das Kind irgend jemandem anvertrauen will, dieses qualvoll vernichtet. Häufige Anzeichen hierfür sind bei Gesprächen mit rituell mißbrauchten Kindern plötzlich auftretende Bauchschmerzen und Magenkrämpfe und Erzählungen über Steine im Bauch. Auch kürzlich entstandene Phobien vor bestimmten Tieren, beispielsweise Ameisen können erste Anzeichen hierfür sein.

3.7.2. Die reale Familie

Kindern wird während des Mißbrauchs / der Mißhandlung erzählt, ihre Eltern seien nicht die wirklichen Eltern, sondern der Kult sei die "wahre" Familie und es gebe kein Entrinnen. Verstärkt wird dies noch durch sich selbsterfüllende Prophezeiungen hinsichtlich des Verhaltens der Eltern, welche das Kind von der Richtigkeit dieser Aussage überzeugen. Bestärkt werden kann dies dadurch, wenn ein Angehöriger des Kindes Mitglied im Kult ist und sich zu einem für das Kind besonders bedrohlichen Anlaß - beispielsweise während eines Rituals - offenbart.

3.7.3. Folterungen

Die Arten der Folterungen im Bereich des Rituellen Mißbrauchs sind vielfältig und teilweise sehr diffizil in ihrer Anwendung. Einige Foltermethoden, beispielsweise das Unter-Wasser-drücken oder auch Elektroschocks hinterlassen keine feststellbaren Spuren. Andere Foltermethoden, beispielsweise mit Kerzen, Wachs oder Fackeln hinterlassen Spuren, die sich beispielsweise als Sonnenbrand deuten lassen. Desweiteren werden extreme Formen berichtet. Hierzu gehören, daß Nadeln unter die Finger- bzw. Zehennägel geschoben werden, daß Kinder lebendig begraben werden (u.a. zum Zweck sensorischer Deprivation), daß sie an den Händen oder Füßen aufgehängt werden und teilweise in diesen Positionen (sexuell) mißhandelt werden.

3.7.4. Beteiligung von Tieren

Sehr häufig werden Tiere, wie beispielsweise Spinnen, Schlangen und Hunde, zur Einschüchterung verwendet. Kaninchen, Katzen und Hunde und werden auf teilweise bestialische Weise geopfert, bzw. müssen von Kindern selbst getötet werden. Hunde und Schlangen werden auch für sexuelle Handlungen an Kindern benutzt.

3.7.5. Benutzung menschliche Exkremente

Die menschliche Exkremente wie Kot und Urin spielen ebenso wie Sperma und vor allem Blut eine wichtige Rolle während den Ritualen. Kinder werden damit beschmiert, bzw. müssen diese in Form eines "Cocktails" zu sich nehmen.

3.7.6. Verkleidungen

Sehr häufig verkleiden sich Täter, um die Kinder einzuschüchtern. Einerseits können dies Verkleidungen als Teufel, Hexe oder Monster sein, um an den anerzogenen Angstvorstellungen der Kinder anzuknüpfen. Verkleidungen als Ärzte, Polizisten, Richter, Priester sollen dazu führen, daß das Vertrauen in diese Berufsgruppen erschüttert wird, um eine Offenbarung zu verhindern. Sehr häufig tragen die Täter Kutten mit Kapuzen, die mit rituellen Zeichen verziert sind.

3.7.7. Tötungen

Bei den Tötungen in den Ritualen ist das höchste Ziel, das Leiden des Opfers zu verlängern, um sich die Lebensenergie magisch nutzbar zu machen. Hierzu gehört beispielsweise das Häuten bei lebendigem Leib. Diese Form des Tötens wird sowohl bei Tier- als auch bei Menschenopfern (u.a. durch eine amerikanische Staatsanwältin) beschrieben. Ebenso kommt es zu Schächtungen, das heißt dem Ausblutenlassen des Opfers. Überlebende berichten davon, daß die Opfer hinterher gekocht und gegessen werden, das Fett von Babys wird für die Herstellung von Kerzen verwandt. Im Bereich der schwarzmagischen Literatur führt Aleister Crowley aus: "Für die höchste spirituelle Arbeit muß man dementsprechend das Opfer wählen, daß die größte und reinste Kraft in sich birgt. Ein männliches Kind von vollkommener Unschuld und hoher Intelligenz ist das befriedigendste und geeignetste Opfer." (Aleister Crowley, Magie in Theorie und Praxis, II. Teil; Zürich, 1982; S.257).

3.7.8. Mittäteraspekte

Häufig werden Opfer Rituellen Mißbrauchs dazu gezwungen, selber zu mißbrauchen oder zu mißhandeln oder strafbare Handlungen innerhalb und außerhalb des Kultes zu begehen. Diese Mittäterschaft erfüllt zwei Funktionen. Einerseits werden diese Taten in der Regel beobachtet oder gar gefilmt und dienen dem Kult dazu, über den Weg der direkten Erpressung Druck auf den Handelnden auszuüben. Andererseits werden diese Taten im Rahmen von Mind Control-Techniken benutzt, um Schuldgefühle zu implantieren, die ein Gefühl der Ausweglosigkeit verstärken.

3.7.9. Das "Hochzeitsritual"

Das "Hochzeitsritual" findet zwischen dem Opfer und einem Mitglied des Kultes - welcher auch stellvertretend für Satan stehen kann - statt. Das Opfer wird hiermit im Rahmen einer zeremoniellen Handlung, eines Rituals, an die Gruppierung gebunden. Teil des Rituals ist die Vergewaltigung durch das Mitglied des Kultes, in vielen Fällen auch durch alle Mitglieder des Kultes (vgl. hierzu: Judith Spencer; Jenny - Das Martyrium eines Kindes; Frankfurt am Main, 1995; 37 ff.; auch in: Michaela Huber; Multiple Persönlichkeiten - Überlebende extremer Gewalt; Frankfurt am Main, 1995; S. 88 ff.).

3.7.10. Das "Gebärritual"

Bei dem "Gebärritual" wird das Opfer in den aufgeschnittenen Leichnam eines kurz zuvor getöteten Tieres oder Menschen hineingelegt. Aus diesem heraus wird es als Zeichen tiefer Verbindung in den Kult neu "hineingeboren".

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