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ISSD-D - Aufsätze im ISSD-D-Angebot / Aufsätze: Übersicht
- Dissoziative Identitätsstörung (DIS) - eine Persönlichkeitsstörung?
Bettina Overkamp; Arne Hofmann; Michaela Huber, Gerhard Dammann


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Persönlichkeiten oder alternierende Identitäten?

Definitionen in der ICD-10

Die ICD-10 ordnet die multiple Persönlichkeit F44.81 bei den neurotischen Störungen den dissoziativen Störungen (Konversionsstörungen) zu. Die allgemeinen Kennzeichen dissoziativen Störungen sind (Dilling et al. 1991)

  • der teilweise oder völlige Verlust der normalen Integration des Bewußtseins,
  • der sich auf Erinnerungen an die Vergangenheit, Identitätsbewußtsein und unmittelbare Empfindungen sowie die Kontrolle von Körperbewegungen bezieht,
  • ohne daß dieses durch eine körperliche Erkrankung zu erklären wäre.

Das Hauptkriterium für MPS (multiple Persönlichkeit) ist

  • das Vorhandensein von zwei oder mehr verschiedenen Persönlichkeiten in einem Individuum,
  • mit eigenen Erinnerungen, Verhaltensweisen und Vorlieben,
  • von denen zu einem Zeitpunkt jeweils nur eine nachweisbar ist.

Die ICD-10 stellt, einer Reihe von Forschungsergebnissen folgend (Ross et al. 1989), einen engen Zusammenhang zu einem traumatischen Ereignis her, das als Auslöser für einen ersten Wechsel, bzw. das Entstehen der ersten anderen Persönlichkeit gilt.

Zur Kategorie Dissoziative Störungen gehören neben der multiplen Persönlichkeit

  • die dissoziative Amnesie (F44.0)
  • die dissoziative Fugue (F44.1)
  • der dissoziative Stupor (F44.2)
  • Trance- und Besessenheitszustände (F44.3)
  • die dissoziativen Störungen der Bewegung und der Sinnesempfindung wie Bewegungsstörungen (F44.4)
  • Krampfanfälle (F44.5)
  • Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen (F44.6)
  • andere dissoziative Störungen (F44.8)
  • nicht näher bezeichnete dissoziative Störungen (F44.9).

Vorkommen und Prävalenzzahlen

Die ICD-10 betont in ihrer Ausgabe von 1991 (Dilling et al. 1991) die Seltenheit des DIS/MPS-Phänomens und eine mögliche iatrogene und kulturspezifische Verursachung. Alle drei Aussagen sind durch neuere Untersuchungen - auch in Europa - relativiert. Neben Multicenter-Untersuchungen aus den USA und Kanada zeigen Studien aus den Niederlanden (Boon & Draijer 1993), der Schweiz (Modestin 1992), Belgien (Vanderlinden & Vandereycken 1995), Frankreich (Darves-Bornoz et al. 1995), Schottland (Bauer & Power 1995), der Türkei (Sar et al. 1996), Deutschland (Hofmann 1995) und Ungarn (Vanderlinden et al. 1995), daß es die Störung auch dort gibt und sie sich in einer ähnlichen Phänomenologie präsentiert wie in den USA (Vanderlinden et al. 1996).

In klinischen Populationen auf psychiatrischen Allgemeinstationen liegen die Prävalenzzahlen für die Dissoziative Identitätsstörung bei circa. 5 Prozent (Putnam 1984; Bliss & Jeppsen 1985; Ross et al. 1991b; Saxe et al. 1993), beziehungsweise noch höher, wenn man spezifische klinische Populationen systematisch untersucht. Die Inzidenzrate der DIS-Fälle ist im Laufe der letzten 20 Jahre stark angestiegen (Boor 1982). Offen ist dabei, ob sich wirklich die Häufigkeit der Dissoziativen Störungen erhöht hat, oder ob sich die Diagnostik und das klinische Verständnis (besonders für frühkindliche Traumatisierungen) verbessert haben (Goff & Simms 1993).

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